Vorbereitungen vor dem Flug
Aus der Schweiz fuhren wir mit einem Mietbus an den Frankfurter Flughafen. Dies war eine bewusste Entscheidung, da ich Inuit nicht zwei Flüge zumuten wollte. So war es möglich, direkt von Frankfurt nach Anchorage zu fliegen. Bevor Inuit den Flug antreten konnte, musste er in der Schweiz, durch den Tierarzt diverse Kontrollen über sich ergehen lassen. Auch für den Tierarzt war das eine spezielle Situation, da noch nie jemand von seiner Kundschaft mit seinem Hund nach Alaska geflogen war.
Hundebox
Als ich mich entschieden habe, Inuit mit nach Alaska zu nehmen, wollte ich ihm den Flug natürlich so angenehm wie möglich machen und ihn an die Hundebox gewöhnen. Somit habe ich bereits einige Wochen vor unserem Flug, Inuit, jede Nacht in der Hundebox schlafen lassen. Er gewöhnte sich sehr schnell daran und fühlte sich rasch wohl darin.
Als wir in Frankfurt ankamen hatten wir noch keine Ahnung was noch alles auf uns zukommen sollte. Nicht nur, dass die Aufzüge am Flughafen viel zu eng für die grosse Hundebox waren, nein, schlussendlich war auch die Hundebox für Inuit zu klein (seine Ohren touchierten ganz leicht die Decke der Box. Also hiess es nun: "Sie müssen eine grössere Box kaufen oder der Hund darf so leider nicht mitfliegen".
Also ging meine spannende Reise quer durch den ganzen Frankfurter Flughafen los... und damit kürzte sich auch schlagartig mein Reisebudget, denn die grösste Flugbox, welche sie auf der andere Seite, des wohlgemerkt grössten europäischen Flughafens verkauften, kostete ein halbes Vermögen.
Um nochmals zurück auf die engen Aufzüge zu kommen: jawohl, das war dann wohl mein nächstes Problem. Keine Chance, die Box da rein zu bekommen. Und weiter ging meine, nicht mehr ganz so lustige Reise, durch den Frankfurter Flughafen. Meine ganze Aufregung vor dem Flug war im nu verschwunden, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich ganz andere Sorgen: schaffe ich den Flug noch? Wie zum Teufel bringe ich die Box von A nach B?
Fluchend entschied ich mich nun, die Hundebox etliche Treppen rauf und runter durch das Terminal zu tragen. Es brachte mich wirklich in's schwitzen. Als ich endlich zurückkam, erzählte mir meine Begleitung, dass Inuit ein "Flughafenstar geworden war. Piloten, Stewardessen und viele weitere Reisende wollten Fotos von ihm. Nun konnte Inuit endlich eingecheckt werden und ich, mehr oder weniger beruhigt, ins Flugzeug steigen.
Das "ewige" Eis
Als das Flugzeug über Grönland flog, bot sich mir ein atemberaubender Ausblick auf das "ewige Eis". Auch der Anflug nach Anchorage nach rund 10 Stunden Flugzeit, war beeindruckend. Die vielen, verschneiten Bergketten liessen mich erahnen: Wir sind endlich in Alaska angekommen! Aber wie geht es Inuit?
Inuit und ich sind in Alaska angekommen
Das Gefühl, als sie mir Inuit wieder brachten, war unbeschreiblich. Er war total entspannt und schaute mich mit seinen kleinen, verschlafenen Knopfaugen an. Draussen angekommen streckte er sich erst einmal und hob sein Bein eine halbe Ewigkeit. Er war total entspannt und zufrieden.
Mit dem Pick Up Truck von Anchorage nach Nenana
Kurz darauf wurde ich wie besprochen, mit dem Pickup Truck der Husky Farm abgeholt. Bis dahin war mir noch nicht bewusst, wie lange die Reise von Anchorage nach Nenana sein sollte.
Nach über 20 Stunden auf den Beinen und kaum Schlaf, nickte ich während der Fahrt immer wieder ein. Somit bekam ich während der Fahrt kaum mit, wie wunderschön die Landschaft um mich herum war. Doch dies sollte ich dann zum Glück zu einem späteren Zeitpunkt noch erleben.
Doghandler - Mehr Schein als Sein
Es ist leider in der Schlittenhundeszene auch der Fall, das junge Fans von Huskies, als Doghandler ausgenutzt werden. Auch ich ging etwas naiv an diese Gelegenheit ,auf einer Husky Farm in Alaska Zeit zu verbringen, ran. Ich bin froh, dass ich danach viele bessere Beispiele gesehen habe.
Durch meine Kontakte in der Schlittenhundeszene und mein Interesse, habe ich dann rasch neue Lösungen gefunden und mir einen Reiseplan zusammen gestellt. Dadurch reiste ich innert zwei Monaten mit der Eisenbahn, Bus, per Mitfahrgelegenheit und Mietauto mit Inuit zwei mal um den ganzen Alaskan-Highway.
Huskyfarm in Nenana
Der Nachbar zeigte mir später noch, wie ich am nächsten Tag die über dreissig Alaskan Huskies füttern sollte. Ich bezog mein Zimmer im Haus und versuchte zu schlafen. Dies war aber einfacher gesagt als getan, denn in Alaska war es zu der Zeit, Ende Mai, vierundzwanzig Stunden hell. Ich dunkelte die Fenster ab und schlief dann doch nach ein paar Stunden erschöpft ein.
Am nächsten Tag weckten Inuit und mich die Huskies mit ihrem schönen gemeinsamen Heulkonzert. Meistens heulen Huskies nur 20 bis 30 Sekunden zusammen lautstark. Dann sind sie wieder leise. Ich habe mich sofort in dieses typische Husky-Detail verliebt.
Durch den Jetlag, die lange Reise, andere Zeitzone, fühlte ich mich am nächsten Tag, als ob mich eine Seifenblase umhüllte. Ich nahm mir die nächsten Tage viel Zeit, die verschiedenen Huskies kennen zu lernen, während ich sie fütterte und für einen Doghandler typisch, viel Hundekot aufhob und die Anlage säuberte.
Hundewelpen
Zwei Hündinnen hatten Welpen. Die eine hatte vier, welche gerade ein paar Wochen alt waren, die andere hatte ein paar Tage, bevor ich ankam, ein Welpen zur Welt gebracht.
Da ich meinen ersten Hund und auch meine erste Hündin schon seit Welpenalter hatte, war es für mich nichts neues, jedoch durchaus eine weitere sehr schöne Erfahrung, viel Zeit mit den Kleinen zu verbringen. Ich konnte miterleben, wie der kleine Welpe seine Augen das erste mal öffnete. Im Nachhinein betrachtet, kam mir die Zeit auf der Farm, auch weil ich viel Zeit bei und mit den Welpen verbrachte, nicht so schlimm vor.
Erkundungsfahrten - Nachbarschaft
Ich entschied mich in den nächsten Wochen, mit Inuit nach Nenana zu fahren. Wir erkundeten die Umgebung und gingen auch mal mit dem Nachbarn nach Fairbanks um Hundefutter zu kaufen. Und es hatte einiges an Schlittenhunde-Equipment, wie zB Hundegeschirre, zu bestaunen,
Wir genossen aber auch einfach mal die warmen Sommertage im Juni, grillierten oder der andere Nachbar lud mich auch mal zu einem Bier ein.
Kettenhaltung
Inuit rannte viel frei über das gesamte Gelände der Farm, hielt aber immer einen grösseren Abstand von den Hunden, welche an den Ketten waren. Dies ist in Alaska gang und gäbe. Auch in Norwegen wird dies noch so gehandhabt. Für uns Europäer wirkt dies eher grausam.
In anderen nordischen Ländern wie Finnland und Schweden ist dies jedoch gesetzlich verboten. Viele Amerikaner finden aber, dass es keine bessere Art gibt, die Schlittenhunde zu halten, da sie Arbeitstiere sind.
Zu Beginn versuchte ich daher, die Hunde einzeln kurz von der Kette zu nehmen und lief um das grosse Grundstück der Farm. Ich wechselte ab und versuchte über die Tage die Hunde immer wieder von den Ketten zu nehmen.
Inuit und ich erkundeten daher auch abwechselnd, einzeln mit den Hunden der Farm, die nähere Umgebung. Eine davon war die Hündin Diva. Sie tat mir sehr leid, da sie einen riesigen Tumor mit sich am Bauch herumtragen musste. Auf meine Nachricht an den Besitzer der Farm, meinte der nur, dass er den Mut nicht habe, sie mit der Schrottflinte zu verschiessen und somit zu erlösen. Wenn ich den Mut habe soll ich es ihm sagen, dann würde er mir sagen wo der Schlüssel für den Waffenschrank sei. Ich verneinte und mir wurde langsam aber sicher klar, dass das Sprichwort "Andere Länder, andere Sitten" eben nicht nur ein Sprichwort ist. Mit taten die Hunde extrem Leid.
Ebenfalls informierte ich den deutschen Besitzer, dass ich dies nicht für richtig hielt, dass die Hunde einfach die ganze Zeit nur an Ketten wären und auch der Gesundheitszustand von vielen Hunden bedenklich und allgemein schlecht war. Er meinte, die Hunde würden im Winter tausende Meilen rennen und bräuchten daher die "Pause" im Sommer.
Und er möge keine dicken Hunde und die würden dann im Herbst wieder mehr Futter bekommen, sobald das Aufbautraining beginnen würde. Ich lies dies nicht gelten. Es kam ein paar Tage keine Antwort mehr, dann meinte er widerwillig, ich könne den einen Auslauf so herrichten und die Türen der Gitter tiefer setzen um dann den Hunden in kleinen Gruppen Auslauf zu geben. Es waren schon fast vier Wochen vergangen seit ich auf der Farm angekommen war.
Dies mit dem Auslauf machte ich dann auch so und die Hunde genossen es. Jedoch kannte ich die Hunde nicht sehr gut und musste mich auf die Konstellationen, wie sie nebeneinander an den Ketten waren, verlassen. Und es ging nicht lange und zwei Hunde, die nebeneinander an den Ketten waren, fingen an miteinander zu streiten, während einige andere im Auslauf waren. Der eine Hund wurde dabei auch wieder verbissen.
Ich entschied mich dann, an Bill Cotter, eine Musher Legende und Yukon Quest Champion, der auch in Nenana lebt, zu wenden und schrieb ihm über die sozialen Medien. Er schrieb mir innert paar Stunden zurück und meinte ich soll ihn anrufen. Dies machte ich direkt und er nahm sich die Zeit und hörte mir zu. Er sagte mir, er würde sobald er seine Hunde gefüttert hätte, direkt vorbei kommen.
Es ging nicht lange und Bill klingelte an der Haustür. Er war sehr freundlich und setzte sich mit mir an den Tisch und wir redeten über alles. Er schüttelte immer wieder den Kopf und sagte dann, lass uns die Hunde anschauen. Er gab dem Hund Schmerzmittel und versorgte die Wunde. (Ich konnte sie zuvor nur säubern). Danach meinte er, dass er wirklich auch genug von dem Besitzer habe und sich distanzieren werde.
Ich sagte ihm auch, dass ich mich entschieden hätte, die Farm zu verlassen um weiter zu reisen, da mich die ganze Situation frustrieren würde. Er fragte mich dann, wer für die Hunde schauen würde wenn ich gehe, ich meinte nur, der Nachbar, welcher auch zuvor geschaut habe, obwohl dieser auch wenig Lust hätte, da der Farmbesitzer ihm die versprochene Entlöhnung für längere Zeit nicht bezahlt hätte. Bill verabschiedete sich und ich nahm selber auch schon innerlich Abschied von der Huskyfarm und den Hunden.
Die Reise ging weiter...
Ich entschied ich mich daher vorzeitig, auch aus weiteren Gründen, welche im nächsten Abschnitt beschreiben werden, meine Reise durch Alaska fortzuführen und mehr Eindrücke zu sammeln. Es war die beste Entscheidung und ich hatte danach sehr viele, spannende Erlebnisse und Begegnungen.
Not everything that shines is gold
(kritische Anmerkung zur Hundehaltung auf dieser Husky Farm und einige Schattenseiten die ich dort erlebt habe)
Mosquitos
Mir war nicht bewusst, dass es in Alaska im Sommer so viele Mosquitos hat. Am ersten Abend, als ich die Hunde wässerte, war ich daher ein leichtes "Opfer" und die Stechmücken liessen sich dieses Festmahl natürlich nicht entgehen! Die Spray's gegen die Stechmücken sind jedoch umso giftiger!
Schlechte Hundehaltung
Obwohl die Huskyfarm von einem Deutschen Auswanderer betrieben wurde, das Haus sowie die ganze Farm gepflegt war, war ich äusserst enttäuscht von der Hundehaltung. Wie schon erwähnt handelte es sich bei den meisten Hunden um Kettenhaltung.
Das erste Bild bei der Ankunft, war kein schönes: zwei der Hunde, welche monatelang im Sommer, nur an den Ketten waren, waren sehr verbissen. Der älteste Hund war alleine in einem grossen Gehege. Was für ein einsames Leben, dachte ich sofort und er tat mir unendlich leid. Die Futternäpfe waren zudem alle komplett verrostet und wiesen etliche scharfe Stellen auf. Sogar die Näpfe bei der Mutter mit den Welpen.
Obdachlosigkeit
Der Nachbar, welcher zuvor und nachdem ich die Farm nach rund einem Monat verliess, auf die Hunde schaute, war Obdachlos. Sein Sohn ging nicht zur Schule und hatte auch keine regelmässigen Mahlzeiten. (Ausser er war bei der Mutter, welche in Fairbanks einen Stelle und kleines Appartement hatte). Ich lud beide mehrmals zum Essen ein, da sie mich zu Beginn von Anchorage mit dem Truck des Farm Besitzers abgeholt hatten. Healthcare ist für viele sowieso ein Fremdwort, nicht nur in Alaska, sondern allgemein in den USA. Er lief in der Stadt und in Einkaufszentren mit der sichtbaren Schusswaffe herum (Open Carry ist in den USA erlaubt). Ebenso hatte er und sein Kumpel eine Schusswaffe im Wald gefunden und fragten mich, ob ich diese haben wolle. Ich hatte sofort Bilder eines Verbrechens vor Augen und diese Schusswaffe allenfalls sogar in ein Verbrechen involviert gewesen sein könnte und lehnte danken ab.
Umweltschutz?
Als ich bemerkte, dass der Truck der Farm nicht in gutem Zustand war, durfte ich mit Genehmigung des Husky Farm Besitzers, einen Ölwechsel, in einer Garage in Nenana machen lassen oder besser gesagt einen halben Ölwechsel. Und das alte Öl, wurde direkt hinter der Garage im Wald entsorgt. Bezahlt hatte ich im Voraus, mit meinem eigenen Geld und musste im Nachhinein mit viel Druck das Geld zurück fordern.
Native Americans
Ab und an fuhr ich nach Nenana um zu tanken und was zu essen zu kaufen. Dort erfuhr ich etwas mehr über die Geschichte von Nenana und sah auch das Indianer Reservat. Nun Indianer ist inkorrekt, sie hören dies auch nicht gerne; Native Americans, um genau zu sein. Diese wohnen nun ganz unten am Fluss. Dieser Teil wurde ihnen von den Weissen überlassen. An dieser Stelle tritt angeblich der Fluss, wenn es Hochwasser hat, über. Sprich das schlechteste Stück Land.
Private Property
Eine weitere, eher beängstigende Begegnung hatte ich gegenüber der Eisenbahnschienen, also nicht weit von der Husky Farm entfernt, als der Hund vom obdachlosen Nachbar, meinem Hund und mir folgte und dann auf ein Feld, vor einem Haus herum rannte.
Eine etwas ältere Frau und ein Mann schrien mir direkt zu: "Nimm deinen Köter an die Leine oder wir knallen ihn ab". Ich rief direkt zurück, dass es nicht mein Hund wäre, sondern der vom Nachbarn. Da stand die ältere Dame schon mit dem Gewehr auf dem Feld.
Ich rief ihr zu sie soll nicht schiessen und wiederholte, es wäre der Hund des Nachbarn. Der rannte zum Glück danach in meine Richtung. Die ältere Dame entschuldigte sich zwar aber wiederholte, dem Nachbarn auszurichten, dass sein Köter nicht noch einmal auftauchen soll, sonst würde er dies nicht überleben auf ihrem "Private Property" also ihrem privaten Grundstück.
Kein Futter mehr vorhanden!
Als plötzlich kein Futter mehr vorhanden war (das günstigste was man kaufen kann) und ich den Husky Farm Besitzer (der zu der Zeit angeblich in Deutschland war) über mehrere Wochen schriftlich und telefonisch nicht erreichen konnte, fing ich sogar an, den Hunden Futter von meinem Hund zu geben.
Dies war für mich eine riesen Belastung, da für mich die Hunde immer an erster Stelle stehen und auch so schon einige Hunde, mit einem "Scoop", also einem Löffel voll Trockenfutter, bis auf drei oder sogar vier, ersichtliche Rippen, abgemagert waren. Dies war schon bei der Ankunft der Fall. Ich fütterte diesen Hunden etwas mehr, so sahen diese nach Wochen besser aus, jedoch verloren dann einige andere Hunde wiederum an Gewicht.
Es war schlichtweg nicht möglich alle Hunde so zu füttern, dass alle genügend genährt waren. Zudem waren diverse Hunde alles andere als sozialisiert. (Im Gegensatz zu vielen Hunden, die ich später auf anderen Husky Farmen kennen lernte). Ich realisierte, dass ich definitiv nichts an der Situation ändern konnte und verabschiedete mich, einzeln und mit allen 30 Namen von allen Hunden. Diese waren mir sehr ans Herz gewachsen und der Abschied war daher nicht einfach.
Kurz vor Weihnachten erhielt ich dann eine Mail mit einer Weihnachtskarte von dieser Huskyfarm. Darauf waren süsse Welpen und eine schöne, verschneite Landschaft abgebildet. Ich lud dann dieses Bild, sowie eines meiner Bilder, wie die Hunde wirklich gehalten werden, auf den sozialen Medien hoch mit der Überschrift: Realität vs Fiktion. Es gab dann aber einige Musher aus Alaska die mir privat geschrieben haben und meinten, ich schade nur dem Ruf aller Huskyfarmen und solle es wieder löschen. Ich bin mir daher bewusst, dass ich mit meinen kritischen Schilderungen auf meiner eigenen Webseite, in der Schlittenhundeszene nicht nur auf Verständnis treffen werde.