Am nächsten Tag war Charley und die Engländerin, nach unseren Einwänden, direkt hinter dem Guide. Ich war immer noch der Letzte. Für mich stellte dies kein Problem dar, so hatte ich den Überblick. Beim Start gab es in Charley's Team wieder Komplikationen. Wieder wollte das Team nicht starten. Ich hörte nur wie der Guide Charley anschrie und der immer wieder die Achseln zuckte. Mir tat Charley echt leid in der Situation und ich dachte so einiges über den Guide, aber ich konnte aus meiner Position nicht eingreifen und beobachtete das Ganze weiter. Irgendwann funktionierte es dann doch und wir waren weiter unterwegs per Hundegespann.
Es war ein sehr schöner, ziemlich sonniger Tag. Wir waren relativ langsam unterwegs, ich stand konstant auf der Bremsmatte, ausser bei kleineren Steigungen. Doch es war ein ruhige Fahrt und wir konnten die Reise und Natur mal für ein paar Stunden geniessen und kamen auch etliche Kilometer weit und waren nun in gebirgigem Gebiet unterwegs.
Das Wetter zog etwas zu. Wir machten eine Mittagspause und fütterten die Hunde. Da bemerkte ich, dass die Amerikanerinnen zuerst das Futter aus ihren Schlitten verwenden wollten. Ich hatte ja ein starkes Team aber auch am meisten Futter dabei, also brachte ich diesen Einwand ein. Vergeblich. Nun so stellte ich mir "Teamwork" nicht vor und fand es eine ziemlich eigensinnige Aktion.
Ich dachte dann aber weiter: denn es wäre ja auch nicht schlecht, wenn ich selber noch Hundefutter in meinem Schlitten hätte, da ich hochalpin aufgewachsen bin und dadurch allenfalls auch etwas vorsichtiger umgehe. Da ich weiss, wie schnell das Wetter etc. sich in den Bergen ändern kann und dann auch der Handyempfang nicht mehr vorhanden war, fragte ich den Guide ob er ein Satelitten-Telefon dabei hätte. Dieser meinte nur, sowas bräuchte er mit 15 Jahren Erfahrung nicht. Dies gab mir als Teilnehmer kein Gefühl der Sicherheit. Schon gar nicht, nach allem was schon vorgefallen war. Und meine sehr beobachtende, vorausdenkende Art und Intuition, sollten recht behalten.
Als wir den markierten Trail in einem engen Tal verlassen hatten und auf der linken Seite des Berges entlang fuhren, bekam ich ein ungutes Gefühl. Meine Intuition sagte mir: dieses Tal birgt Gefahren. Jemand wie ich, rechnet bei Windverwehungen, unübersichtlichem, steilem Gelände und viel Schnee, unteranderem mit Lawinen. Das Tal wurde immer enger und die Berge auf beiden Seiten steiler. Mir wahr es sehr unwohl. Ich war das letzte Hundeteam.
Dadurch kam ich erst zu stehen, als das Hundeteam des "Guides", versuchte, an der engsten Stelle, die rechte, steile und eisige Seite des Berges zu erklimmen! Ich dachte ich sehe nicht richtig: denn ein solch eisiger, steiler Abhang zu traversieren, wäre mir NIE in den Sinn gekommen! Nicht einmal mit Skiern oder dem Snowboard! Dies war schlichtweg lebensmüde und die Hunde hatten keinen Halt und fingen panisch an zu winseln.
Der "Guide" schrie um Hilfe und Charley versuchte sofort mit einer Axt in der Hand, den eisigen, steilen Hang hinauf zu klettern. Er rutschte mehrmals ab und verwendete dann die Axt wie ein Eispickel. Er drehte das Team um und alle rutschten zusammen den Hang hinunter! Der Guide sagte uns es wäre die einzige Stelle, an der wir dem Trail folgen könnten und dass die Snowmobile auch dort durch fahren würden.
Ich war ausser mir und stellte den "Guide" zur rede und meinte aufgebracht: " Diese Aktion und auch immer noch zu denken, dass wir weiter machen könnten, ist schlichtweg lebensmüde. Ich hatte schon zuvor ein sehr schlechtes Gefühl und wir hätten schon viel eher umdrehen sollen!" Der Guide stellte sich vor mich. Fast zwei Meter gross (ich mit meinen einen Meter und achtzig natürlich fast einen Kopf kleiner) und fing an mich anzuschreien.
Er schäumte aus dem Mund und machte sich über mich lustig und meinte "Du denkst wirklich, du wärst der beste "Mountain Man", Ich mache dies schon seit 20 Jahren, du weisst gar nichts!". Ich hatte das Gefühl, dass der Guide mir gegenüber nächstens gewalttätig geworden wäre. Die anderen Teammitglieder beruhigten zum Glück die Situation und schlossen sich meiner Ansicht an, dass wir auf keinen Fall weiter machen und die Expedition hier abbrechen würden.
Der Guide stand ohne weitere Worte auf seinen Schlitten und fuhr so schnell er konnte in die Richtung, von der wir kamen. Wir Teilnehmer schauten uns fragend an und einer nach dem anderen fuhren wir nacheinander hinterher. Ich wieder als Letzter. Ich war selber noch immer sehr aufgebracht und war daher unkonzentriert und schon passierte es: ich stürzte mit dem Schlitten seitlich nach rechts und als ob dies nicht schon ärgerlich genug wäre, musste ich zu meinem Schrecken feststellen, dass unter meinen Füssen der Schnee zusammen sackte und ich durch eine Eisschicht in ein Loch fiel!
Ich hatte zum Glück in Alaska immer wieder den Spruch gehört: "Egal was passiert, lasse nie die Handlebar (Lenker) deines Schlittens los" und womöglich rettete dies mein Leben! Ich rief um Hilfe, aber die anderen Hundeteams waren um eine Kurve im Tal ausser Sichtweite und alles was ich machen konnte war meinen Hunden zuzurufen und die zogen mich zum Glück sofort raus!
Ich fuhr weiter um die anderen Teams wieder einzuholen, was kurz darauf auch geschah, da diese dann doch auf mich gewartet hatten. Wieder konfrontierte ich den Guide und stand innerlich unter Schock! Adrenalin schoss durch meinen Körper und die Diskussion fing erneut an. Obwohl ich auch die Stelle im Tal mit den steilen Bergen auf beiden Seiten, als ungeschützt vor Lawinen einschätzte, schlugen wir dort das Zelt auf. Nur ein paar hundert Meter entfernt von der Stelle, an der den Hunden, den Teilnehmern und vor allem mir selber oder auch dem "Guide" fast schon Schlimmeres passiert wäre.
Ich entschied mich später, zu Fuss in diese Richtung zu laufen. Mir liess es keine Ruhe und ich wollte noch ein Bild von der Stelle machen, da ich mir sicher war, dass mir sonst niemand glauben wird und man vielleicht denken würde, ich hätte einfach zu viele Filme gesehen. Als ich zurück um die Kurve im Tal lief, lief es mir eiskalt den Rücken herunter als ich feststellte, dass unter dem Loch im Eis Wasser war und nicht weit davon entfernt, am Ende des Tals, ein vereister, senkrechter Wasserfall. Und dass der "Guide" mit uns am rechten, vereisten Berghang traversieren wollte, es aber durch den Wasserfall in der Mitte etliche Meter steil in die Tiefe ging. Dies hätte definitiv beides tödlich enden können!